Im Inneren von Zellen sitzen zwei wichtige Enzyme, sie sind wie kleine Kontrollzentralen: Dipeptidylpeptidase 8 und 9 – kurz DPP8/9. Sie steuern unter anderem Entzündungsreaktionen und beeinflussen, ob eine Zelle weiterlebt oder abstirbt. Gerade bei Krebszellen spielen diese Mechanismen eine entscheidende Rolle. Mithilfe von Medikamenten, die DPP8/9 blockieren, ließen sich demnach Tumore bekämpfen. Bislang fehlte es jedoch an Wirkstoffen, die nur diese beiden Enzyme gezielt ausschalten, ohne andere wichtige Proteine und Vorgänge im Körper zu stören. Forschenden aus dem Zentrum für Medizinische Biotechnologie (ZMB) der Universität Duisburg-Essen ist nun ein Durchbruch gelungen: Sie haben eine neuartige Wirkstoffklasse entwickelt, die DPP8/9 hocheffektiv und selektiv hemmt. Ihre Ergebnisse haben sie soeben in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Für ihre Studie haben sich die Forschenden den natürlichen Hemmstoff Sulphostin genau angeschaut. Von diesem ist bekannt, dass er gegen ein anderes Enzym (DPP4) wirkt. An einer bestimmten Stelle von Sulphostin, dem sogenannten „Warhead“, nahmen die Wissenschaftler:innen gezielt strukturelle Veränderungen vor. Daraus entwickelten sie so genannte N-Phosphonopiperidone – Moleküle, die sich wie ein maßgeschneiderter Schlüssel in die Zielstruktur von DPP8/9 einfügen. „Diese neuen Verbindungen blockieren DPP8/9 hochwirksam und greifen gleichzeitig kaum in andere zelluläre Prozesse ein. Bisherige Substanzen, dagegen wirkten häufig unspezifisch und verursachten unerwünschte Nebenwirkungen“, erklärt Prof. Dr. Markus Kaiser vom ZMB. Sein Team hat die Entwicklung maßgeblich getragen. Partner waren die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Doris Hellerschmied (ebenfalls ZMB), das Uniklinikum Freiburg und ein Biotech-Unternehmen.
„Unsere Studie zeigt, dass es durch präzises Finetuning von Naturstoffstrukturen möglich ist, DPP8/9 gezielt und selektiv zu hemmen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu neuen, nebenwirkungsarmen Therapien“, so Kaiser. Die neu entwickelten Moleküle könnten nicht nur für die Krebstherapie von Bedeutung sein, sondern auch bei entzündlichen oder autoimmunen Erkrankungen eingesetzt werden.
Zum ZMB
Hier arbeiten 86 Arbeitsgruppen aus der Chemie, Biologie und Medizin in den Bereichen Onkologie, Immunologie und Zellbiologie zusammen. Die AGs der Professor:innen Kaiser und Hellerschmied sind zudem Teil des DFG-geförderten Sonderforschungsbereiches SFB 1430. Dieser möchte verstehen, wie das Zusammenspiel zwischen molekularen Signalen und den regulatorischen Schaltern funktioniert, die gemeinsam die Übergänge zwischen definierten Zellzuständen auslösen. Dieses bisher unzureichend verstandene Zusammenspiel ist entscheidend für Zellwachstum und -teilung, aber auch für die Entstehung und Therapierbarkeit von Krebs.
Zur Publikation: https://www.nature.com/articles/s41467-025-58493-z