Ein neuentwickeltes Laborwerkzeug hilft, innerhalb weniger Stunden spezifische Viren zu identifizieren, die auf die Zerstörung von Varianten des gefährlichen bakteriellen Krankheitserregers Staphylococcus aureus angesetzt werden können. Bakterienviren, als Bakteriophagen oder Phagen bezeichnet, bieten einen alternativen Behandlungsansatz zu Antibiotika insbesondere bei multiresistenten Erregern. Zu den noch zu entwickelnden Phagentherapien, die in Deutschland bisher nicht standardmäßig zum Einsatz kommen, könnte das neue Tool künftig einen wichtigen Beitrag leisten. Es wurde von einem Forschungsteam unter der Leitung von Professor Andreas Peschel vom Exzellenzcluster der Universität Tübingen „Kontrolle von Mikroorganismen zur Bekämpfung von Infektionen“ (CMFI) erarbeitet und im Fachjournal Cell Reports veröffentlicht.
Multiresistente Keime stellen eine wachsende Bedrohung für die globale Gesundheit dar. Darunter ist Staphylococcus aureus, ein häufig in Krankenhäusern vorkommender Erreger, der schwere Entzündungen bis hin zur Sepsis verursachen kann. In seiner multiresistenten Form MRSA ist er nur sehr schwer zu behandeln. „Antibiotika sind eine unserer wichtigsten Waffen gegen Infektionen, aber wir sehen immer häufiger, dass sie entweder nicht mehr anschlagen oder zu viele Nebenwirkungen verursachen“, sagt der Studienleiter Andreas Peschel. „Phagen hingegen sind hochspezifisch und können gezielt einzelne Erreger eliminieren, ohne das restliche gesundheitsfördernde Mikrobiom der Patienten zu stören.“
Den Feind des Feindes zum Freund
Bei einer Phagentherapie macht man sich zunutze, dass die Bakteriophagen gezielt bestimmte Bakterienvarianten infizieren, sich in ihnen vermehren und diese schließlich zerstören. Hierdurch werden neue Bakteriophagen freigesetzt, die weitere Bakterien bekämpfen können. „Aufgrund ihrer Spezifität können sie sich aber nicht mehr vermehren, sobald alle krankheitserregenden Bakterien abgetötet sind“, erklärt Janes Krusche vom Exzellenzcluster CMFI, der Erstautor der Studie. Eine der Schwierigkeiten bei dieser Therapie liege in der Wahl des passenden Bakteriophagen. Krusche ist der maßgebliche Entwickler des neuen Tools zur Phagenidentifizierung (Phage Aureus RBP Identification System; PhARIS). PhARIS analysiere das Erbgut von Phagen und erkenne anhand spezifischer rezeptorbindender Proteine, ob ein Phage in der Lage ist, eine bestimmte Staphylococcus aureus-Variante zu infizieren, erläutert Krusche.
In dem Tool sehen Peschel und Krusche ein großes Potenzial für Phagentherapien in der Behandlung von Wundinfektionen und bei Infektionen, die mit Implantaten assoziiert sind. Das Forschungsteam plant, das System für weitere Erreger weiterzuentwickeln. Ziel ist es, PhARIS zu einem Standardwerkzeug für Labore zu machen, um Phagen schnell und effektiv als therapeutische Alternative zu Antibiotika bei vielen verschiedenen bakteriellen Infektionen einzusetzen.
„Schwer behandelbare Infektionen mit multiresistenten Keimen zählen weltweit zu den größten medizinischen Herausforderungen unserer Zeit. Die neuen Forschungsergebnisse des Tübinger Exzellenzclusters CMFI zeigen eindrucksvoll, wie essenziell die Grundlagenforschung in diesem Bereich ist. Mit PhARIS haben unsere Forschenden ein innovatives Tool entwickelt, das die Auswahl des jeweils geeigneten Phagen für künftige Therapien beschleunigen und dadurch einen direkten Nutzen für Patientinnen und Patienten schaffen könnte. Diese herausragenden Forschungsergebnisse unterstreichen einmal mehr die internationale Spitzenstellung der Tübinger Mikrobiologie und Infektionsbiologie“, sagte Professorin Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, die Rektorin der Universität Tübingen.