Kasseler & Co: Darf’s auch etwas weniger sein?
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Kasseler & Co: Darf’s auch etwas weniger sein?

18/09/2024 Universität Bonn

Studie der Uni Bonn untersucht, wie sich Kantinengäste zu kleineren
Fleischportionen motivieren lassen

In Deutschland wird zu viel Fleisch gegessen: Das beeinträchtigt nicht nur
die Gesundheit, sondern schädigt auch Umwelt und Klima. Selbst
Kantinenbetreiber sind zunehmend offen für kleinere Fleischportionen – schon
aus Kostengründen. Aber wie lässt sich die Kundschaft dazu bringen, kleinere
Fleischportionen zu wählen? Diese Frage untersuchten Forschende der
Universität Bonn in der Kantine einer Reha-Klinik. Der gewünschte Effekt war
dann am größten, wenn das Kantinenteam einfach kleinere Fleischportionen
austeilte und erst auf Nachfrage nachlegte. Dieses Vorgehen stieß auch bei
den Gästen weitgehend auf Akzeptanz. Die Ergebnisse sind nun im Journal
“Einvironment and Behavior” veröffentlicht.

Der Fleischkonsum in Industrienationen ist deutlich zu hoch. Damit steigt
nicht nur das Risiko etwa für Herzkreislauferkrankungen. Vermehrte
Tierhaltung verschärft auch das Welternährungsproblem, weil durch den
Futtermittelanbau wertvolle Fläche für die menschliche Ernährung verloren
geht. Tierzucht heizt auch den Klimawandel weiter an: Wiederkäuer erzeugen
das Treibhausgas Methan, außerdem benötigt die Produktion tierischer
Lebensmittel viel mehr Energie als die pflanzlicher. Und: “Fleisch ist
teurer als die meisten Beilagen”, sagt Juniorprofessor Dr. Dominic Lemken
vom Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik (ILR) der Universität
Bonn. “Schon aus Kostengründen wollen Kantinen die Fleischportionen auf den
Tellern reduzieren.”

Was passiert mit an Fleisch gewöhnter Kundschaft?

Die Frage ist, welche Anreize eine weitgehend an tierische Produkte gewöhnte
Kundschaft benötigt, um weniger Fleisch und mehr Beilagen auf den Tellern zu
akzeptieren. Das untersuchte ein Team um Dominic Lemken zusammen mit Gloria
Sindermann von der Universität Göttingen in der Kantine einer Reha-Klinik,
in der täglich rund 200 Essensportionen ausgegeben werden. Von Oktober 2022
bis Mai 2023 protokollierten die Forschenden unbemerkt und anonymisiert bei
insgesamt 5.966 Mahlzeitenwahlen, unter anderem ob Fleisch mit auf dem
Teller war und in welcher Portionsgröße. Darüber hinaus wurden 125 Kundinnen
und Kunden zu ihrer Zufriedenheit befragt.

Zuvor hatten die Forschenden mit der Kantinenleitung einen Plan abgestimmt.
Zunächst blieb in einer sechswöchigen Beobachtungsphase alles beim Alten:
Erst auf Nachfrage der Kundschaft passte das Personal die
Fleischportionsgröße an. Anschließend veränderte das Kantinenpersonal an der
Essensausgabe seine Ansprache in eine aktivere Variante: Wie viel Fleisch
möchten Sie haben? Zudem wiesen Infotafeln darauf hin, dass sich durch
kleinere Fleischportionen mehr Menschen auf der Erde ernähren lassen. In
einer dritten Phase bekam die Kundschaft automatisch weniger Fleisch auf den
Teller. Schilder an der Ausgabetheke wiesen darauf hin, dass man auch
größere Portionen wählen kann. Erst auf Nachfrage gab es jedoch größere
Portionen.

Gezielter Reiz für eine erwünschte Verhaltensänderung

Bei letzterer Strategie handelt es sich um die “Default Nudging”-Variante:
Dabei geht es um einen gezielten Anreiz (“Nudge”), der eine
Verhaltensänderung herbeiführen soll. Nudges sind etwa von den
“Schockbildern” auf Zigarettenschachteln bekannt, die Raucher abschrecken
sollen. “Bei unserer Studie bestand der `Nudge´ dagegen darin, dass kleinere
Fleischportionen als Standard ausgegeben wurden und es einen erhöhten
Aufwand bedeutete, nach einer größeren Portion zu fragen”, sagt Doktorandin
Ana Ines Estevez Magnasco aus dem ILR-Team. Sich mit weniger Fleisch
zufrieden zu geben, war also bequemer.

Von Spaghetti Bolognese über Lamm-Curry bis hin zum Hühnerfrikasse: Während
der Studie landeten bei insgesamt elf verschiedenen Gerichten im Schnitt ein
Drittel weniger Fleisch und entsprechend mehr Beilagen auf den Tellern. Wie
Umfragen zeigten, stieß dies weitgehend auf Zustimmung bei den Kundinnen und
Kunden. Allerdings unterschieden sich die verschiedenen Strategien der
Fleischreduktion erheblich in den Effekten: Zu Beginn der Studie – als alles
lief wie gewohnt – fragten knapp zehn Prozent der Kundschaft nach kleineren
Fleischportionen. Durch die aktive Nachfrage – “Wie viel Fleisch möchten
Sie?” – stieg der Anteil bestellter reduzierter Portionen auf fast 39
Prozent. Durch das Nudging – nur auf Nachfrage mehr Fleisch – kletterte
diese Zahl auf über 90 Prozent.

“Nudging” gleicht die Entscheidung von Frauen und Männern an

“Erstaunlich war auch das sehr unterschiedliche Verhalten von Frauen und
Männern”, sagt Dr. Aline Simonetti aus Lemkens Team. Vor allem bei der
Frage, wie groß die Fleischportion sein soll, entschieden sich fast vier Mal
mehr Frauen für die kleinere Portion als Männer. Auch beim Nudging –
kleinere Fleischportionen als Standard – zeigte sich dieser Effekt noch,
wenn auch deutlich schwächer. “Wir konnten beobachten, dass sich durch das
Nudging die Entscheidung von Männern und Frauen für kleinere
Fleischportionen annäherten”, fasst Dominic Lemken zusammen. “Dieses
Resultat ließe sich auch für die Ernährungspolitik nutzen, wenn es darum
geht, insgesamt den Fleischkonsum anzunähern”, so der Forscher weiter, der
auch Mitglied in den Transdisziplinären Forschungsbereichen “Individuals &
Societies” sowie “Sustainable Futures” an der Universität Bonn ist.

Wie können Kantinen die Erkenntnisse nutzen? Dominic Lemken empfiehlt
zunächst Umfragen, um herauszubekommen, ob kleinere Portionen als Standard
auf Akzeptanz stoßen. “Wenn die Kundschaft das nicht möchte, kann das
Personal bei der Essensausgabe gezielt nach Fleischportionsgrößen fragen –
dann verprellt man niemand”, so der Ökonom. Er sieht jedoch noch größeren
Forschungsbedarf, weil sich die Kantinen hinsichtlich ihres Angebots und
ihrer Stammkundschaft teils erheblich unterscheiden.

Förderung:

Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Publikation: Dominic Lemken, Aline Simonetti, Gloria Sindermann, and Ana
Ines Estevez Magnasco: Evidence on the Effectiveness-Acceptance Trade-Off
Between Forced Active Choice and Default Nudging: A Field Study to Reduce
Meat Consumption in Cafeterias, Environment and Behaviour, DOI:
https://doi.org/10.1177/00139165241274496
Fichiers joints
  • Kasseler mit Mettwurst: Eines derfleischbetontesten Gerichte, die in der Kantine angeboten wurden. Bei derreduzierten Variante sah die Mahlzeit wie gewohnt aus – nur die Scheibenwaren dünner. Foto: Gloria Sindermann
  • Die Forschenden wiesen mit Schildern deutlich darauf hin,dass man auch kleinere Fleischportionen wählen kann. Foto: Gloria Sindermann
  • Junior-Prof. Dr. Dominic Lemken vom Institut fürLebensmittel- und Ressourcenökonomie der Universität Bonn forscht auf demGebiet der Sozioökonomie der nachhaltigen Ernährung. Foto: Uni Bonn
18/09/2024 Universität Bonn
Regions: Europe, Germany
Keywords: Society, Economics/Management, Science, Agriculture & fishing, Environment - science

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